Es geht um Leben und Tod
8. Juni 2019
ISKCON Deutschland – Österreich – Liechtenstein und Schweiz
3. August 2019
Show all

In Gedenken an Mahashakti-maya Dasa

Die Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein Deutschland-Österreich e.V. und die Gour-Ni-Times Redaktion trauern um den Verlust eines guten Freundes und ernsthaften Geweihten Krishnas. Wir trauern um Mahashakti-maya Dasa (⁎1966 ✝2019).

Es war Ende 2004, als plötzlich bei uns im Redaktionsbüro das Telefon klingelte. “Mein Name ist Olaf Schröder. Ich habe euch im Internet gefunden und habe gelesen, dass ihr auch Hausbesuche macht. Wäre es möglich, wenn ihr mich und meine Familie im April nächsten Jahres besucht, mir ein paar Fragen beantwortet und meiner Frau zeigt, wie man vedisch kocht.”

Ich sagte: “April? Das sind mehr als vier Monate!”

“Ja”, hörte ich am anderen Ende, “ich bin Boxmanager mit einem reich gefüllten Terminkalender und ich habe erst im April wieder ein freies Wochenende. Und bevor sich irgendetwas Berufliches dort hinein mogelt, würde ich diesen Termin gerne jetzt bestücken”

Olaf Schröder (hält den Siegerdürtel) war im Vorstand des World Boxing Federation (WBF), einer der weltgrößten Boxverbände

Ehrlich gesagt war meine Vermutung, dass dieser lang vordatierte Termin wieder im Sande verlaufen und ich nichts mehr von dieser Person hören würde.

Doch dann klingelte das Telefon wieder im März. Und die Stimme klang immer noch genauso entschlossen wie drei Monate zuvor.

So kehrten wir vier Wochen später in eine Einfamilienhaussiedlung ein, nur ein paar Kilometer vor Bielefeld. Wir lernten an diesem Tag eine der außergewöhnlichsten Familien unserer gesamten Predigerlaufbahn kennen: Olaf, Ehefrau Susi, Tochter Ranee und Hund Skinner (zufällig ein Boxer). Olaf Schröder war Manager im Boxsportgeschäft und hatte damals zwölf Profiboxer unter Vertrag. In seinem Büro hingen Bilder von Muhammad Ali, der original Siegergürtel von Mike Tyson und die original Boxhandschuhe von Max Schmeling (wenn ich mich richtig erinnere). Doch er erzählte uns, dass seine Begeisterung für den Boxsport den Zenit schon lange erreicht hatte. Sein Herz schlage seit einigen Jahren zunehmend für das Krishna-Bewusstsein. Er sei über die Bücher von Armin Risi auf die Literatur von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupadas gestoßen und hätte letztes Jahr alle Bücher bei einem ISKCON-Versand bestellt, genauer gesagt bei einem Krishna-Anhänger namens Parivadi Dasa, der ihn daraufhin auf die in seiner Nähe lebenden Gour-Ni-Times-Redakteure aufmerksam gemacht habe, einer journalistisch ausgerichteten Initiative innerhalb der ISKCON.

Mittlerweile hatte seine Frau Susi das Essen fertig. Entsprechend unserer Anweisung hatte sie extra nicht während des Kochens probiert, damit wir die Speise Krishna weihen konnten. Irgendwie hatten wir unser kleines Opferungsglöckchen zuhause vergessen. Doch dann fiel uns eine große schwere Schiffsglocke auf, die als Souvenir an der Wohnzimmerwand hing. Ich glaube an diesem Tag hat halb Bielefeld mitbekommen wie Krishna Speisen geopfert wurden.

Einweihung in der Gour-Ni-Times Redaktion 2017

In den kommenden Jahren entstand eine enge Freundschaft und Zusammenarbeit. Die Schröders halfen uns bei vielen Predigeraktionen wie der Veröffentlichung unseres Gour-Ni-Times Magazins, die wir in den Jahren darauf im großen Stil publizierten und auf deutschen Straßen verteilten.

Mahashakti war weltweit unterwegs und besuchte nach Möglichkeit auch gerne die zahlreichen ISKCON-Zentren, ob in Budapest, Rom oder Dublin. Er träumte zwar manchmal davon, als Mönch in einem Ashram zu leben, um sich völlig im Krishna-Bewusstsein zu vertiefen, doch sagte uns dann, “Nein, Dharma ist Dharma. Ich muss erst meine Verantwortung als Familienmann erfüllen.”

Ankündigung eines Boxkampfes

Jeder weiß, dass der Boxsport nicht immer einen tugendhaften Ruf genießt. Schnell wird er mit rauhen Schlägertypen, korrupten Schiedsrichtern und dem Rotlichtmilieu in Verbindung gebracht. Und obwohl Mahashakti mittlerweile als Vorstandsmitglied einen weltweiten Boxverband leitete und europaweit unterwegs war, d.h. manchmal mehr in Hotels als zu Hause wohnte, lebte er strikt nach den vier Vaishnava-Regeln und chantete jeden Morgen 16 Runden auf seiner Gebetskette (japa-mala). 

Von links nach rechts: Paramshreya Dasa (Autor), Hridayananda Dasa Goswami, Mahashakti-maya Dasa in Radhadesh, Belgien, 2015

Für Mahashakti hatte das Bhagavatam eine riesige Bedeutung. Wir kennen kaum einen Devotee in der jüngeren Zeit, der so gerne und so viel Srila Prabhupadas Literatur gelesen hat. Auch führte er auf seinen Reisen stets ein paar Bücher und Magazine mit, um diese an Kollegen und Bekanntschaften weiterzugeben. Doch oft gingen sie ihm aus und wir mussten dann anschließend Bhagavad-gitas und Schönheit des Selbsts (bzw. Science of Self Realization) nach Wien, London oder Melbourne verschicken.

Mahashakti hielt auch in seinen beruflichen Kreisen nie hinterm Berg, dass er ein Krishna-Anhänger war. Es gibt Fotos, wo er bei Pressekonferenzen in Anzug und Krawatte sowie einem bunten Bead-Bag (Beutel für die Hare-Krishna-Gebetskette) um den Hals zu sehen ist. Oder er trug Trainingsanzüge, die von seiner Frau mit markanten Krishna-Symbolen bestickt wurden. Der Name Olaf Schröder ist keineswegs unbekannt in der Boxszene. Selbst die Bild-Zeitung berichtete ein Tag später über sein Verscheiden. Mahashakti hatte sich bereits in den 1980er Jahren  als “Cutman” einen Namen gemacht – das sind die Leute, welche die kämpfenden Boxer in der Ecke wieder für die nächste Runde flott machen. (Da werden manchmal klaffende Wunden schnell mit Sekundenkleber zugeklebt, verriet er uns einmal.) Schnell wurde in der ganzen Boxszene bekannt, dass Olaf Schröder irgendetwas mit Hare Krishna zu tun hatte. Wenn es um ein Geschäftsessen ging, dann wurde nach Möglichkeit von ihm ein örtliches Govinda’s Restaurant ausgewählt – falls nicht vorhanden, zumindest ein streng vegetarisches Lokal. Neben dem sportlichen und finanziellen Teil des Gesprächs gab es anschließend oft noch eine lebhafte Diskussion über Themen wie “Pro- und Kontra-Argumente zum Fleischessen” oder “Gibt es Gott? Und wenn ja, kann Gott eine Person sein?”.

Straßen-Kirtan mit Gargamuni Prabhu in Maribor, Slowenien


Traf Mahashakti in irgendeiner Fußgängerzone – ob Ljubljana, Birmingham oder Madrid – auf eine singende Gruppe von Krishna-Geweihten, gesellte er sich sofort dazu, selbst mit dem Wissen, dass fünf Minuten später ein Berufskollege vorbeikommen würde.

Im Jahre 2005 begeisterte er einen seiner unter Vertrag stehenden Boxer (Gotthard Hinteregger aus Österreich, 2004 Interkontinentaler Meister der International Boxing Federation) dafür, eine Boxershort mit dem Gour-Ni-Times-Schriftzug zu tragen. Der Kampf sollte im Fernsehen ausgestrahlt werden. Gleichzeitig gewann er einen bekannten Fernsehkommentator dafür, in der Livesendung zu erwähnen, dass Hinteregger Vegetarier sei und er für ein spirituelles Kulturmagazin Werbung mache. Der TV-Kampf hatte ein Millionenpublikum. Mit anderen Worten, Mahashakti nutzte gerne jede Gelegenheit, um das Krishna-Bewusstsein mit dem Boxsport zu verweben.

Legendärer TV-Boxkampf mit „Gour-Ni-Times“ Werbung

Mahashakti hatte auch einen erfrischenden spirituellen Humor. Bei einer Geschäftsreise in Ägypten besuchte er die Pyramiden von Gizeh und chantete in den zahlreichen Grabkammern für jeden einzelnen Pharao eine Runde auf seiner Gebetskette den Hare-Krishna-Mahamantra.

Hare Krishna chanten auf der Gebetskette zum Wohle eines längst verstorbenen Pharao

Völlig unerwartet hatte Mahashakti im April einen schweren Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholen konnte. Im Beisein von chantenden Gottgeweihten verließ er auf der Herforder Intensivstation seinen Körper. 

Bei seiner Bestattungsfeier in einem vegan-buddhistischen Bielefelder Restaurant im Mai dieses Jahres kamen zahlreiche Berufskollegen, Nachbarn und Eltern von Mitschülerinnen seiner Tochter. Alle hatten die Gelegenheit ein paar Worte über Mahashakti zu sprechen. Dabei wurde wieder deutlich, welchen tiefen Eindruck er auf seine Mitmenschen hinterlassen hatte, auch in spiritueller Hinsicht. Mahashakti gilt weltweit als ehrenhafter Gentleman, der Versprechen stets einhielt und konsequent zu seinen Prinzipien stand, der viel Humor besaß und der auch seine Mitmenschen weiterhin respektierte, auch wenn diese nicht gleich zu Vegetariern wurden oder nicht seiner Krishna-Philosophie folgten. Viele Kollegen und Bekannte ließen uns nach der Bestattungsfeier wissen, dass sie die ISKCON längst nicht mehr als eine Sekte betrachteten, sondern als eine seriöse spirituelle Institution.

Einweihung via Skype von HH Hridayananda Dasa Goswami (siehe Bildschirm)

Im Jahre 2015 trug der damalige Bhakta Olaf an uns schließlich den Wunsch heran, sich innerhalb der ISKCON einweihen zu lassen. Nach erfolgreich absolvierten Bildungskursen erhielt er im Jahre 2017 von Hridayananda Dasa Goswami den Einweihungsnamen Mahashakti-maya Dasa, ein Name Shivas, der ja bekanntlich mit einem Bein in der materiellen Welt und mit dem anderen Bein in der spirituellen Welt steht. Mahashaktis nächstes Ziel wäre die zweite Einweihung gewesen (auch als Brahmana-Einweihung bekannt), um auch die Bildgestalt in den zahlreichen ISKCON-Tempeln zu verehren. Doch dazu ist es leider nicht mehr gekommen.

Immer enthusiastisch Hare Krishna zu singen

Mahashakti-maya Dasa war ein sehr intelligenter und kritisch denkender Mann. Ihm war schnell bewusst, dass auch in der ISKCON nicht immer alles Gold ist, was glänzt (wie in allen Organisationen dieser Welt). Trotzdem war ihm von Anfang an klar, dass die ISKCON im Kern eine autorisierte spirituelle Institution ist, die alles Wesentliche für ein erfolgreiches spirituelles Leben zur Verfügung stellt. Zunehmend bemühte er sich zusammen mit seiner Frau, die Missionsziele der ISKCON zu unterstützen. Für das 50-Jahre-ISKCON-Jubiläum im Jahre 2016 stellten die Schröders mit viel Hingabe viele mit dem ISKCON-Logo handbedruckte Taschen und andere Textilien her und stellten sie der ISKCON für diverse Feierlichkeiten kostenlos zur Verfügung.

Sein einweihender Guru Hridayananda Dasa Goswami schrieb uns ein Tag später in einer Message: “He is with Lord Krishna and he will have a wonderful new life.” – “Er ist nun beim Höchsten Herrn, Krishna, und er wird ein wunderbares Leben haben.”

Die Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein Deutschland-Österreich e.V. bedankt sich für die Dienste und Treue Mahashakti-maya Dasas und wünscht seiner hinterbliebenen Familie viel spirituelle Kraft für die Zukunft.

Mother Dina Sharana Devi Dasi (ISKCON GBC für Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Schweiz)
Doyal Govinda Dasa (ISKCON RGB)
und Mitglieder des ISKCON National Council Executive Committee
Jayagoura Dasa
Vaidyanath Dasa
Kalyana Giriraja Dasa
Paramatma Krishna Dasa
Jaya Nitai Dasa
Gour Mohan Dasa
Krishna Premarupa Dasa
Keshava Dasa
Paramshreya Dasa (Autor)
Hemanga Gopal Dasa
Acyuta Nimai Dasa

und Shivatma Dasa (Co-Autor)

Abschiedsfeier am 9. Mai 2019 in Bielefeld

* * * * *

Mahashakti-maya Dasa schrieb auch eigene Krishna-bewusste Artikel auf der Gour-Ni-Times Website. Hier eine kleine Auswahl:

–> http://www.gour-ni-times.de/category/autoren/olaf-schroder/

Und hier ein spannender Bericht über den „Sechs-Runden-Sieg mit Gour-Ni-Times“ – Österreichischer Weltklasseboxer macht spirituelle Website bekannt:

–> http://www.gour-ni-times.de/site/aktuell/gotti.htm